Tourismus im Arberland: „Hier kommt es mir nicht so kapitalistisch vor“

Tourismus im Arberland: „Hier kommt es mir nicht so kapitalistischvor“

Familienbetrieb seit 1967: Die Gesichter hinter dem Hotel Falter in Drachselsried. Fotos: Benedikt Roth Photography

Familie Falter und die Gastronomie – das gehört einfach zusammen. 1967 erbaut, betreiben die Falters das gleichnamige Hotel in Drachselried in mittlerweile dritter Generation. Die jüngste – Theresa und Marinus sowie der kleine Xavi – schaffen es dabei auf beeindruckende Weise, Traditionelles mit Modernem zu verbinden, wie der 36-jährige Familienvater und Küchenchef im Hog’n-Interview verdeutlicht.

Der gastronomische Familienbetrieb zeigt darüber hinaus, dass es in der Hotel- und Gastrobranche im ARBERLAND zahlreiche Möglichkeiten der Selbstverwirklichung gibt – u.a durch die Aus-, Fort- und Weiterbildungschancen an der Hotelberufsschule Viechtach. Der Landkreis Regen als wichtigste und übernachtungsstärkste Tourismusregion des Bayerischen Waldes bietet sowohl Gästen als auch Nachwuchskräften viele Chancen.

Herr Falter, Sie stammen ja gebürtig nicht aus der Region, haben aber Ihre Ausbildung hier gemacht, richtig?

Gebürtig komme ich aus Bad Aibling. Wir sind hergezogen, als ich 15 war. Mein Vater hatte in der Maximilian-Klinik in Bad Kötzting eine Stelle als Masseur aufgetan. Nach acht Jahren ging’s dann für Eltern und Schwester wieder Retour. Ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt aber bereits einen engen Freundeskreis aufgebaut, der bis heute existiert, wächst und gedeiht. Ich war hier zu Hause. Also blieb ich.

Jedenfalls ging ich nach der neunten Klasse, weil Essen ja eine super Sache ist, auf die Hotelberufsschule in Viechtach. Gelernt habe ich im hiesigen Burg-Hotel. Dort hat Ludwig „Lucki“ Maurer, der ja ein paar Jahre älter ist, mich und fünf andere unerfahrene Pinsel unter seine Fittiche genommen. Wir sind heute noch befreundet und ich assistiere ihm ab und an bei Messen beim Front-Cooking. Kommenden Januar ist es wieder so weit.

Die (Wieder-)Entdeckung der wirklichen Kunst des Kochens

Das klingt jetzt sehr pragmatisch. Wo kommt denn dann die eigentliche Leidenschaft für die Küche?

Die kam direkt oder indirekt mit meiner Frau (lacht). 2007 habe ich Theresa kennengelernt, die mir gleich gesagt hat, dass sie zu Hause ein Hotel hat. Ich habe deshalb auch ihren Namen angenommen. Das Haus heißt schließlich Falter und nicht Auer (lacht). Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits seit ein paar Jahren bei der Bundeswehr, weil mir die langen Stunden bzw. die Wochenendarbeit in der Küche auf die Nerven gegangen sind. Und jetzt wieder mit dem Kochen anfangen?

Um das Metier noch einmal kennenzulernen, habe ich ein Praktikum beim Hotel Mooshof in Bodenmais absolviert und dann die Meisterschule gemacht. Die wirkliche Kunst des Kochens habe ich erst dort gelernt – und auch die Freude daran wiederentdeckt. Da kam dann der Faktor Kreativität und „Anderssein-Wollen“ für mich ins Spiel. Wenn man etwas Eigenes hat, steckt man noch einmal sehr viel mehr Herzblut in die Arbeit. Schließlich lassen sich Ideen unmittelbar umsetzen – und man weiß ganz genau, wohin jede investierte Minute geht.

Familienvater, Küchenchef und Inhaber des Hotels Falter in Drachselsried: Der gebürtige Oberbayer Marinus Falter.

Wir haben 2017 umgebaut, weil wir alles anders und moderner haben wollten und verfolgen diesen Kurs nun beständig weiter. Er kommt an und zahlt sich aus. Ich muss sagen, dass ich beruflich nicht glücklicher sein könnte.

Was finden Sie im Arberland vor, das Sie zum Beispiel im Bayerischen Hof nicht hätten?

Nun, das Offensichtlichste vorne weg: Unser Hotel ist meine Basis, mein Headquarter. Ich bin stolz aufs eigene Haus, es steht im Arberland – und nicht in München. Ganz abgesehen davon ist es bei uns in der Region finanziell noch gut machbar mit der eigenen Bar, dem Café, Restaurant oder Hotel – auch bei Umbauarbeiten. Das sieht in der Stadt anders aus. Neben unglaublichen Pachtkosten sind die Leute dort mit moderner, alternativer Küche, ungewöhnlicher Speisekarte und jeder Art von Ambiente übersättigt.

Bei uns im dörflichen Umfeld kann man sich da noch kreativ austoben und das Angebot wird dankbar angenommen. Dafür reicht manchmal schon ein guter Burger auf der Speisekarte (lacht). Aus meiner Erfahrung in anderen Küchen kann ich zudem sagen, dass man an langen Arbeitszeiten zwar nirgendwo vorbeikommt, das Personal bei uns im Woid aber fair und menschlich behandelt wird. Das habe ich immer so erlebt. Kollegen in anderen Regionen klagen da schon über den rauen Umgang. Das scheint wirklich eine Sache der Mentalität zu sein.

„Was ich nicht gerne zubereite, steht auch nicht auf der Karte“

Spielt der Bayerische Wald als Tourismusregion hier auch eine Rolle?

Ja, natürlich. Generell beobachten wir seit den letzten fünf Jahren, dass – zum Glück – nicht mehr nur die Stammgäste im Seniorenalter kommen, sondern sehr viel junges Publikum, das früher in die Türkei, nach Tunesien oder Ägypten gereist wäre. Heute ist ihnen das zu gefährlich – und außerdem leben wir in Zeiten der Wiederentdeckung der Regionalität. Die Jungen haben zwar wenig Zeit, kommen aber für zwei bis fünf Tage zum Wellnessen, Wandern und Waldatmen – und freuen sich, wie viel Urlaub man bei uns für kleines Geld bekommt. Gerne wird dann darüber gesprochen, wie teuer Österreich und wie überlaufen die Alpen seien. Wenn man hier Alternativen bieten kann, ist das schon ein enormer Standortvorteil.

„An der Speisekarte wird sich kommendes Jahr aber noch einmal viel ändern – wenn der nächste große Umbau ansteht.“

Bewegt man sich hier als „junger Wilder“ dann im Spagat zwischen Schweinsbraten mit Knödel und erfinderischer Tüftelei? Was steht auf Ihrer Speisekarte – und: Wie gut wird es angenommen?

Zunächst einmal: Das klassische „Schweiners“ gibt es bei uns überhaupt nicht. Was ich nicht gerne zubereite, das steht auch nicht auf der Karte. Wir haben eine kleine, bunt gemischte Auswahl aus zwölf internationalen Gerichten. Es freut mich immer sehr, wenn junge Leute etwas bestellen, das sie noch von der Oma her kennen, und ältere Stammgäste allein wegen des veganen Thai-Currys kommen. An der Speisekarte wird sich kommendes Jahr aber noch einmal viel ändern – wenn der nächste große Umbau ansteht.

Das Wirtshaus soll optisch in Richtung „Industrial Design“ gehen – also vogelwild – und die Kulinarik wird sich neben den bayerischen Lieblingsgerichten schwerpunktmäßig bei Steak, Salat, Burger und Tapas einpendeln. Wir haben uns vorgenommen, nochmal eine Ecke moderner zu werden, uns was zu trauen, auf hochwertige regionale Zutaten zu setzen. Wir sind zuversichtlich, dass das bei den Leuten auch ankommt. Hier haben wir im Landkreis immer noch eine Marktlücke und kulinarisch die ein oder andere Nische zu besetzen.

„Berge sind unschlagbar – der Wald liegt direkt vor der Haustür“

Was schätzen Sie an Ihrer Heimat am meisten – oder erst einmal gefragt: Wo sehen Sie Ihre Heimat?

Ich bin im Bayerischen Wald zu Hause. Mir geht das Herz beim Alpenpanorama auf, wenn ich von München, also von der 99er auf die 8er, in Richtung Irschenberg fahre. Nach zwei bis drei Tagen bei den Eltern zieht’s mich dann aber schon wieder nach Drachselsried. Unsere Region ist bei mir gleichbedeutend mit einer Dorfgemeinschaft – aber eben im besten Sinne. Man kennt einander im Ort, grüßt freundlich, hilft, wo man kann, die Lieferanten-Situation ist entspannt, persönlich und herzlich – und das Leben insgesamt einfach wunderbar entschleunigt. Ich kann das ja nur mit dem Einzugsgebiet München vergleichen, wo meine Eltern wohnen. Da kommt einem das ganze Arbeiten und das Miteinander irgendwie viel kapitalistischer vor.

Mit dem kleinen Xavi steht die nächste Generation im Gasthof Falter bereits in den Startlöchern.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich hab 4.500 Stunden „Call of Duty: Black OPs“-Multiplayer gezockt (lacht). Nein, nein, so viel Zeit wie früher verbringe ich natürlich nicht mehr vor dem Computer. Wenn man sieben Tage die Woche arbeitet, bleibt klassische Freizeit mitunter ein bisschen auf der Strecke. Da schafft man sich dann untertags Freiräume. Diese verbringe ich hauptsächlich mit meiner Familie oder meinem Freundeskreis. Da will ich einfach nicht so „selbst und ständig“ werden, wie man das vielen Selbständigen nachsagt. Wenn ich einen kompletten Tag oder mehrere Tage am Stück frei habe, gehe ich auch unfassbar gerne unsere Gipfel ab. Berge sind unschlagbar – und der Wald liegt ja direkt vor der Haustür.

„Jeder will das Beste für seine Gäste“

Passen Job und Familie in einem Haus gut zusammen?

(lacht) Ganz ehrlich: Man muss sich schon reinfinden. Zuerst gab es bei Theresa und mir häufiger Streit. Jeder will das Beste für seine Gäste. Und im Hotel- und Gastgewerbe gehört es einfach dazu, dass Service und Küche einander kritisieren und konfrontieren können. Da muss man dann auch von irgendwelchen Befindlichkeiten abrücken. Mittlerweile sind wir ein gutes Team. Ansonsten fordert uns der kleine Mann (lacht). Die Schwiegereltern sind natürlich tatkräftig mit dabei, Xavi hat einen tollen Kindergartenplatz. Dass das ganze Sicherungs- und Unterstützungssystem einfach so vorhanden ist und funktioniert, gehört auch zu den Vorteilen der Region.

Text: Onlinemagazin da Hog’n

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